Eine Firma aus Deutschland in die Schweiz übertragen: Ein umfassender Leitfaden für Unternehmer, die den Standort wechseln wollen
- Roman Welzk

- vor 18 Minuten
- 4 Min. Lesezeit
Der Schritt, ein Unternehmen aus Deutschland in die Schweiz zu übertragen, gehört zu den komplexesten Formen der internationalen Umstrukturierung. Es handelt sich dabei nicht um einen simplen Umzug oder eine Verlagerung des Geschäftssitzes – sondern um einen rechtlichen, steuerlichen, organisatorischen und strategischen Gesamtprozess, der sorgfältige Planung erfordert.
Unternehmer entscheiden sich aus verschiedenen Gründen dafür, in die Schweiz zu gehen: niedrigere Unternehmenssteuern, attraktive Rahmenbedingungen, stabile politische Verhältnisse, ein innovationsfreundliches Umfeld und exzellente Infrastruktur. Doch der Weg dorthin ist anspruchsvoll und sollte nie unterschätzt werden.
Dieser ausführliche Leitfaden zeigt im Detail, welche Schritte, Entscheidungen und rechtlichen Grundlagen notwendig sind, wenn du ein bestehendes Unternehmen aus Deutschland in die Schweiz übertragen möchtest.
1. Grundsatzfrage: Umzug oder Neugründung?
Der wichtigste Schritt kommt oft zu Beginn: das Grundverständnis, dass eine "Übertragung" einer Firma nach Schweizer Recht nicht im deutschen Sinn eines Umzugs möglich ist.
Unternehmen in Deutschland sind an ihre Rechtsordnung gebunden; dasselbe gilt für die Schweiz. Eine GmbH oder AG kann nicht einfach „umziehen“, weil juristische Personen nicht mobil sind wie natürliche Personen.
Es gibt daher nur drei reale Wege, eine deutsche Firma in die Schweiz zu überführen:
Option 1: Neugründung in der Schweiz + Übertragung der Geschäftstätigkeit
Die häufigste Variante:Man gründet eine Schweizer Firma (GmbH oder AG) und überträgt:
Verträge
Kunden
Markenrechte
Assets
Mitarbeitende (wenn möglich)
laufende Projekte
Die deutsche Firma bleibt bestehen oder wird später liquidiert.
Option 2: Grenzüberschreitende Verschmelzung
Dank EU/EFTA-Recht kann eine deutsche GmbH auf eine Schweizer AG/GmbH verschmolzen werden.Das ist seit 2020 möglich, aber extrem komplex, teuer und nur in bestimmten Fällen sinnvoll.
Option 3: Verkauf oder Share Deal an Schweizer Firma
Du gründest eine Schweizer Gesellschaft und überträgst die deutschen Unternehmensanteile oder Assets in diese.
Praxis: Über 90 % aller erfolgreichen Firmenübertragungen laufen über Option 1, weil sie steuerlich, organisatorisch und rechtlich am saubersten ist.
2. Wahl der passenden Rechtsform in der Schweiz
In der Schweiz stehen zwei Hauptrechtsformen zur Verfügung:
GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung)
Mindestkapital: 20'000 CHF
Gesellschafter öffentlich im Handelsregister sichtbar
Ideal für KMU, Dienstleister, Selbständige
AG (Aktiengesellschaft)
Mindestkapital: 100'000 CHF (davon 50'000 einzahlbar)
Aktionäre nicht öffentlich sichtbar
Bessere Reputation bei Banken und Investoren
Ideal für grössere Firmen, Holdingstrukturen, internationale Geschäfte
Wichtig: Der Verwaltungsrat muss mindestens eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz enthalten.Dieser kann ein Treuhänder oder ein externer Verwaltungsrat sein.
3. Steuerliche Konsequenzen für die deutsche Firma
Bevor eine Übertragung stattfindet, müssen die steuerlichen Folgen in Deutschland exakt analysiert werden.Vor allem drohen:
1. Exit Tax (Wegzugsbesteuerung)
Wenn wesentliche Betriebsgrundlagen ins Ausland übertragen werden, löst dies in Deutschland eine fiktive Versteuerung stiller Reserven aus.
Das betrifft:
Maschinen
Marken
Kundenstämme
IP-Rechte
Vorräte
Unternehmenswerte
Selbst wenn keine Gewinne realisiert wurden, verlangt Deutschland eine Steuer auf den "theoretischen Wertzuwachs".
2. Funktionsverlagerung
Wenn Funktionen, Chancen, Risiken oder Know-how ins Ausland verlagert werden, greift das deutsche Außensteuergesetz.
Das kann extrem teuer werden, wenn nicht sauber geplant.
3. Liquidationsbesteuerung
Wenn das deutsche Unternehmen geschlossen wird, entsteht eine Liquidationsbesteuerung auf:
Vermögenswerte
Rücklagen
stille Reserven
Praxis: Unternehmer müssen zwingend einen erfahrenen Steuerberater einbeziehen, der grenzüberschreitende Restrukturierungen kennt.Viele scheitern, weil sie steuerliche Folgen unterschätzen.
4. Steuerliche Vorteile in der Schweiz – aber nur bei richtiger Planung
Die Schweiz kennt nicht die deutsche Wegzugsbesteuerung, dafür aber klare Regeln bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen.
Vorteile der Schweiz:
Unternehmenssteuer zwischen 11 % und 14 % (je nach Kanton)
Keine Gewerbesteuer
Keine komplizierten Außensteuergesetze
Möglichkeit, Holdingprivilegien zu nutzen
Attraktive Privatbesteuerung
Geringe Bürokratie
Doch aufgepasst:
Wenn Deutschland den Vorgang als „Steuerflucht“ wertet, drohen:
Doppelbesteuerungen
Sperrfristen
Nachversteuerungen
Verlust von Abschreibungsrechten
Deshalb ist die Steuerplanung vorab entscheidend, nicht erst nach der Gründung.
5. Übertragung von Verträgen, Kunden und Mitarbeitenden
Ein Unternehmen besteht nicht nur aus Kapital, sondern aus Beziehungen.
1. Kundenverträge
Diese müssen neu mit der Schweizer Gesellschaft abgeschlossen werden.Eine automatische Übertragung ist rechtlich meist nicht möglich.
2. Mitarbeitende
Wenn Mitarbeitende in Deutschland bleiben, muss geklärt werden:
deutsches Arbeitsrecht
Sozialversicherung in Deutschland
B2B-Modelle oder Remote-Strukturen
Wenn Mitarbeitende mit in die Schweiz gehen:
Arbeitsvertrag nach Schweizer Obligationenrecht
Anmeldung bei AHV/IV/EO
BVG (Pensionskasse)
Unfallversicherung (UVG)
Quellensteuer
3. Lieferantenverträge
Viele Lieferanten verlangen für Schweizer Firmen:
neue Bonitätsprüfungen
separate Verträge
neue Preislisten
Besonders in der EU ist die Schweiz kein EU-Land – also gelten andere Einfuhr- und Zollbestimmungen.
6. IP, Markenrechte und Firmenname – Schutz und Übertragung
Wenn deine deutsche Firma Marken, Logos, Patente oder Software besitzt, müssen diese rechtlich übertragen werden.
Schweizer Markenrecht:
Eine neue Schweizer Gesellschaft benötigt einen Eintrag beim IGE (Institut für Geistiges Eigentum), wenn der Name geschützt werden soll.
Übertragung von IP:
IP kann übertragen werden durch:
Asset Deal
Lizenzvertrag
Einbringung ins Stammkapital
Share Deal
Achtung:Eine IP-Übertragung kann in Deutschland als verdeckte Gewinnausschüttung gelten, wenn sie nicht marktkonform bewertet wird.
7. Bankkonto und Finanzierung in der Schweiz
Für die Gründung einer Schweizer Firma benötigst du:
ein Kapitaleinzahlungskonto (für 20'000 bzw. 50'000 CHF)
später ein Firmenkonto
Banken prüfen:
Geschäftsmodell
Reputation
Finanzhistorie
Herkunft der Mittel („Source of Funds“)
Wohnsitz des Inhabers
Im Gegensatz zu Deutschland sind Schweizer Banken strenger und verlangen umfangreiche Compliance-Dokumente.
8. Immobilie oder Betriebsstätte in der Schweiz
Viele Unternehmen benötigen:
Büroräumlichkeiten
Lager
Produktionsflächen
Achtung:Für Nicht-Schweizer gelten Einschränkungen beim Erwerb von Immobilien (Lex Koller).
Oft mieten Unternehmen zunächst und kaufen später über eine Schweizer AG.
9. Administrative Anforderungen: Von AHV bis UID
Eine Schweizer Firma benötigt:
AHV-Nummer (Sozialversicherung)
MWST-Registrierung (falls Umsatz > 100’000 CHF weltweit)
UID (Unternehmensidentifikationsnummer)
Unfallversicherung (UVG)
Berufliche Vorsorge (BVG)
Arbeitsrechtliche Dokumente
Statuten, HR-Eintrag, Genehmigungen
Jede Branche hat eigene Regulierungen (z. B. Fintech, Gastro, Medizin, Bau).
Fazit: Eine Firmenübertragung in die Schweiz ist machbar – aber sie erfordert exakte Planung
Der Transfer eines deutschen Unternehmens in die Schweiz gehört zu den anspruchsvollsten grenzüberschreitenden Projekten überhaupt. Wer ihn richtig angeht, profitiert jedoch langfristig von:
stabilen Rahmenbedingungen
geringen Steuern
hohem Wohlstandsniveau
ausgezeichneter Infrastruktur
einer wirtschaftsfreundlichen Politik
Doch Fehler in der Planung – vor allem steuerlicher Art – können kostspielig werden und die ganze Struktur gefährden.
Mit der richtigen Vorbereitung, guter Beratung und einer klaren Strategie ist der Schritt jedoch absolut machbar und für viele Unternehmer eine echte Chance.
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