Exit Tax, Funktionsverlagerung und Holdingstrukturen: Ein umfassender Leitfaden für internationale Unternehmensverlagerungen
- Roman Welzk

- vor 15 Minuten
- 4 Min. Lesezeit
Die Globalisierung und Digitalisierung führen dazu, dass immer mehr Unternehmer ihre Firmenstrukturen über Grenzen hinweg neu ausrichten. Besonders beliebt sind Unternehmensverlagerungen aus Deutschland in Länder mit stabilen Rahmenbedingungen, geringeren Steuern oder internationaler Flexibilität – zum Beispiel in die Schweiz.
Doch bevor ein Unternehmen seinen Sitz verlegt, stehen drei hochkomplexe Themen im Mittelpunkt jeder seriösen Planung: Exit Tax, Funktionsverlagerung und Holdingstrukturen. Wer diese Bereiche nicht im Detail versteht, riskiert erhebliche Steuernachzahlungen, Doppelbesteuerungen oder sogar strafrechtliche Konsequenzen.
Dieser Artikel beleuchtet die drei zentralen Konzepte im Detail – mit fachlicher Tiefe, verständlichen Erklärungen und einem klaren Fokus darauf, wie sie praktisch zusammenspielen.
1. Exit Tax – die Wegzugsbesteuerung für Unternehmer und Gesellschaften
Die deutsche Exit Tax („Wegzugsbesteuerung“) wurde geschaffen, um zu verhindern, dass Unternehmer ihre Firmen oder Gewinne „ins Ausland verschieben“, ohne die in Deutschland entstandenen stillen Reserven zu versteuern.
Sie betrifft sowohl natürliche Personen als auch Unternehmen.
1.1 Exit Tax bei natürlichen Personen
Diese Regelung greift bei Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften (z. B. GmbH, AG), die mit mindestens 1 % am Unternehmen beteiligt sind.
Sie wird ausgelöst, wenn:
der Gesellschafter seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt, oder
die Gesellschaft selbst ihren Sitz ins Ausland verlagert.
Besteuert werden:
stille Reserven, die im Anteil stecken,
also der Unterschied zwischen:Verkehrswert des Anteils – Anschaffungskosten.
Die Steuer entsteht, obwohl keine tatsächliche Veräusserung stattgefunden hat.
Warum ist das so?
Der deutsche Staat argumentiert:Mit dem Wegzug entfällt die Möglichkeit, zukünftige Wertsteigerungen zu besteuern.Deshalb sollen stille Reserven so besteuert werden, als hätte ein Verkauf stattgefunden.
1.2 Stundung und Härtefallregeln
Bei Wegzug in ein EU-/EWR-Land kann die Exit Tax unter Auflagen gestundet werden – entweder:
unbefristet (wenn Anteile weiterhin bestehen), oder
fünf Jahre lang mit Ratenzahlung.
Aber: Bei Wegzug in die Schweiz gibt es keine automatische Stundung mehr.Das macht die Schweiz für Unternehmer attraktiv – aber steuerlich heikel.
2. Exit Tax für Unternehmen – stille Reserven im Betriebsvermögen
Bei Unternehmen löst der Wegzug ebenfalls eine Exitbesteuerung aus.
Diese wird ausgelöst durch:
Sitzverlegung
Verlagerung wesentlicher Betriebsgrundlagen
Aufgabe einer deutschen Betriebsstätte
Besteuert werden:
immaterielle Werte (Marken, Know-how, Software)
Kundenstämme
Maschinen
Vorräte
Wertsteigerungen im Anlagevermögen
Diese Besteuerung erfolgt auch dann, wenn:
keine Gewinne realisiert wurden
keine Liquidität vorhanden ist
das Unternehmen operativ weitergeführt wird
In der Praxis kann das zu massiven Liquiditätsproblemen führen.
3. Funktionsverlagerung – der gefährlichste Stolperstein jeder Auslandsverlagerung
Die Funktionsverlagerung ist die komplexeste und teuerste Steuerfalle bei internationalen Unternehmensstrukturen.Sie ist im deutschen Außensteuergesetz geregelt und schützt den deutschen Fiskus vor Wertverschiebungen ins Ausland.
3.1 Was ist eine Funktionsverlagerung?
Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn:
Ein Unternehmen eine wirtschaftliche Funktion (z.B. Produktion, Entwicklung, Vertrieb) inklusive Chancen, Risiken und Know-how auf eine ausländische Gesellschaft überträgt.
Typische Beispiele:
Der gesamte Vertrieb wird in die Schweiz verlagert
Das Management zieht ins Ausland um
Produktentwicklung wird ausgelagert
Der Firmengründer zieht weg und arbeitet künftig von der Schweiz aus
Der Kundenstamm wird auf die Schweizer Gesellschaft übertragen
Deutschland betrachtet diese Vorgänge als fiktiven Verkauf einer „Funktionseinheit“.
3.2 Steuerliche Konsequenzen
Die Auswirkungen sind gravierend:
Es wird ein Transferpaketpreis berechnet
Dieser basiert auf Marktwerten der gesamten Funktion
Oft wird ein Goodwill-Wert angenommen
Die Steuerpflicht entsteht sofort, auch ohne tatsächlichen Verkauf
Das heisst:Deutschland besteuert Werte, die das Unternehmen nie realisiert hat, aber theoretisch realisieren könnte.
3.3 Die Bewertung einer Funktionsverlagerung
Deutschland nutzt dabei Methoden wie:
DCF-Verfahren (Discounted Cashflow)
hypothetische Lizenzmodelle
Vergleichspreismethoden
Renditeerwartungen zukünftiger Märkte
Je höher die erwarteten Gewinne im Zielland, desto höher die steuerliche Belastung in Deutschland.
4. Holdingstrukturen – steuerliche Gestaltung ohne Missbrauch
Holdingstrukturen sind ein legales und sehr effektives Mittel, internationale Unternehmen steuerlich zu optimieren, zu schützen und Nachfolgeplanung zu vereinfachen.
Die Schweiz ist eines der attraktivsten Holdingländer Europas.
4.1 Vorteile einer Schweizer Holding
Eine schweizerische Holdinggesellschaft profitiert von:
geringen Steuersätzen auf Dividenden
Steuerbefreiung für Beteiligungserträge
Steuervorteilen beim Verkauf von Tochtergesellschaften
stabiler Rechtslage
planbaren Rahmenbedingungen
einfachem internationalen Bankenzugang
hervorragender Reputation
Viele internationale Konzerne sind deshalb in der Schweiz angesiedelt.
4.2 Holdingstrukturen zur Risikominimierung bei Exit Tax und Funktionsverlagerung
Eine Holding kann:
operative Tätigkeiten und Vermögenswerte voneinander trennen
immaterielle Werte in einer Holding schützen
Firmenkäufe und -verkäufe steuerlich optimieren
internationale Tätigkeiten strukturieren
Sie kann aber keine Exit Tax verhindern, wenn:
ein Gesellschafter persönlich aus Deutschland wegzieht
wesentliche Funktionen nachweisbar ins Ausland verlagert werden
Eine Holding ist also kein Ausweg – aber ein Planungsinstrument, um Risiken zu minimieren.
5. Zusammenspiel der drei Themen – der „Dreiklang“ der steuerlichen Auswanderung
Wenn ein Unternehmen seinen Schwerpunkt ins Ausland verlagert, wirken Exit Tax, Funktionsverlagerung und Holdingstrukturen oft gleichzeitig.
Beispiel:
Ein Unternehmer zieht in die Schweiz und gründet dort eine AG. Er möchte künftig dort operativ arbeiten.
Was passiert?
Er verliert seinen Wohnsitz in Deutschland → Exit Tax.
Er überträgt Know-how in die Schweizer AG → Funktionsverlagerung.
Er möchte Beteiligungen besser schützen → Holdingstruktur erforderlich.
Die deutsche Gesellschaft verliert zentrale Funktionen → weitere Bewertungsmodelle.
Deutschland fordert Besteuerung stiller Reserven → Liquiditätsbedarf.
Jede unüberlegte Entscheidung kann zu Doppelbesteuerungen führen oder sogar als Gestaltungsmissbrauch gelten.
6. Wie professionelle Strukturierung aussieht – Best Practices
Damit eine internationale Verlagerung steuerlich sauber verläuft, braucht es:
1. Frühzeitige Planung (mind. 6–18 Monate vor Wegzug)
Je später man beginnt, desto teurer werden Korrekturen.
2. Juristische und steuerliche Begleitung
Grenzüberschreitende Strukturierungen sind nie DIY-Projekte.
3. Wertgutachten
vor allem bei immateriellen Werten (IP, Marke, Software, Kundenstamm).
4. Saubere Dokumentation
damit Finanzbehörden die Prozesse nachvollziehen können.
5. Holdingkonzept als Dachstruktur
zur langfristigen Steuer- und Vermögensplanung.
6. Ausschluss von Scheinverlagerungen
(Firmenadresse in der Schweiz, aber Tätigkeit weiterhin in Deutschland – das führt zu Betriebsstättenrisiken.)
Fazit: Nur wer Exit Tax, Funktionsverlagerung und Holdingstrukturen versteht, kann international erfolgreich expandieren
Internationale Unternehmensverlagerungen bieten enorme Chancen – steuerlich, wirtschaftlich und strategisch.Doch ohne exakte Planung gehören sie zu den riskantesten Entscheidungen, die Unternehmer treffen können.
Exit Tax besteuert stille Reserven, Funktionsverlagerung bewertet ganze Geschäftsmodelle, und Holdingstrukturen sind das Werkzeug, um internationale Tätigkeiten sauber zu organisieren.
Auswanderung oder Auslandsstrukturen sind keine Steuerflucht, sondern ein rechtlich legitimer Prozess – wenn er sauber, transparent und professionell durchgeführt wird.
Mit der richtigen Vorbereitung wird aus einer potenziellen Steuerfalle ein strategischer Vorteil.
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